Women in Tech – Projektmanagement in der IT

Der Bereich IT-Projektmanagement hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt und spielt mittlerweile eine Schlüsselrolle in der digitalen Transformation von Unternehmen. Angesichts dieser Bedeutung überrascht es, dass der Frauenanteil in diesem Berufsfeld nach wie vor gering ist – wobei die Datenlage allerdings äußerst lückenhaft ist: So sind weltweit geschätzt circa 25 Prozent der Projektmanager Frauen*.
Wir haben mit Carolin Meyer, Senior Projektmanagerin bei Neofonie, über ihren Weg in die IT-Branche gesprochen.

Wie würdest du deine Rolle als Projektmanagerin beschreiben, und welche Aufgaben umfasst sie?

Das variiert je nach Projekt und hängt auch davon ab, wie das Team insgesamt aufgestellt ist. Haben wir zum Beispiel einen Software-Architekten oder einen technischen Projektmanager mit an Bord, kümmere ich mich selbst vor allem um Organisatorisches. Ich achte darauf, ob Meetings eingehalten und Tickets abgearbeitet werden, kümmere mich um das gesamte Controlling und verfasse Statusreports. Ich übernehme aber auch Leitungsaufgaben für mein jeweiliges Team. Besonders wichtig war das in der Pandemie. Da hatte ich alle zwei Wochen ein Meeting mit jedem Kollegen, um zu erfragen, wie es mit dem Projekt vorangeht und ob irgendwo der Schuh drückt. In dem Sinne war ich also auch eine Art „Feel Good Manager“. Klassischerweise erstelle ich Timelines, Roadmaps, schreibe Angebote, bin stark im Sales eingebunden. Meine Aufgabe ist es auch, rechtzeitig Risiken aufzuzeigen, was den Projektstand betrifft. Wenn beispielsweise der Projektplan und der aktuelle Bearbeitungsstand auseinanderdriften, müssen alle Beteiligten informiert werden, auch und gerade die Kunden.

Blicken wir auf die Anfänge deiner Karriere. Was hat dich motiviert, im Bereich IT und Projektmanagement tätig zu werden?

Mein Vater war sehr computeraffin und hat dafür gesorgt, dass ich schon mit zehn Jahren einen Rechner bekam – in einer Zeit, in der das noch keineswegs selbstverständlich war. Ich hatte also früh eine Verbindung zur digitalen Welt. Studiert habe ich Medienkommunikation, ein Potpourri aus Film, Fernsehen, Radio und Internet. Ich wollte gern in den kreativen Bereich und bekam eine Traineestelle als Konzepterin in einer Agentur. Irgendwann kam mein Chef auf mich zu und meinte: Du kannst noch mehr. Er übertrug mir ein Projekt inklusive Projektmanagement, das war 2012. Danach habe ich auch andere Projektmanager in ihren Konzepten unterstützt, Wireframes erstellt, Websites und Apps geplant, eine ganze Zeit parallel als Konzepterin und Projektmanagerin gearbeitet. Irgendwann wurde mir klar, dass man als Projektmanager deutlich mehr Einfluss nehmen kann. Das hat mir gefallen, denn ich bin ein Mensch mit klaren Vorstellungen und einem starken Willen. Und so habe ich mich dann für das Projektmanagement entschieden – und bin dabeigeblieben.

Was sind deine Erfahrungen als Frau in der IT-Branche?

Wir sind eigentlich immer in der Unterzahl und müssen mehr leisten, um gesehen und respektiert zu werden. Viel hängt aber auch vom Verhalten des Vorgesetzten ab. Ich habe einige Situationen erlebt, in denen mein Wort nicht viel wert war. Ob es daran lag, dass ich eine Frau bin, weiß ich nicht genau, auf jeden Fall wurden die anderen Projektmanager nicht so in Frage gestellt. Ein Chef, bei dem ich mich verstanden und gesehen fühle, ist Holger Paetsch von Neofonie. Er hat auch dafür gesorgt, dass ich zur Senior Projektmanagerin befördert und somit meine langjährige Erfahrung wertgeschätzt wurde.

Du sagst, Frauen in der IT müssen mehr tun, um sichtbar zu werden. Was ist deine Strategie?

Hier bei Neofonie hatte ich weniger damit zu kämpfen, und jetzt bin ich ja auch schon eine ganze Weile hier. In meinen Projekten achte ich immer sehr auf den Teamzusammenhalt und versuche stets auf gleicher Augenhöhe mit meinem Team zu sein. Damit bin ich in den vergangenen Jahren sehr gut gefahren und hatte im Projektumfeld keine Probleme damit, eine Frau zu sein. Gibt es mal Meinungsverschiedenheiten im Team, lasse ich demokratisch entscheiden, so fühlen sich alle mitgenommen. 

Generell denke ich, dass Frauen anfangs reservierter sind, ihr Gegenüber erst einmal einschätzen und sich einen Überblick verschaffen möchten. Ich selbst war früher auch zurückhaltend, würde aber behaupten, dass ich das Spiel inzwischen besser durchschaut habe. Ich bin mir bewusst, was ich leisten kann, und mache das auch bei neuen oder schwierigen Kunden gleich zu Beginn deutlich.

Abgesehen von Mut – was braucht man noch, um erfolgreich als Projektmanagerin in der IT-Branche zu arbeiten?

Teamfähigkeit ist ganz wichtig! Zu verstehen, wie wichtig das Team ist. Denn ein Projekt ist immer nur so gut wie das Team, und ich bin nichts ohne mein Team. Du musst also zu einer Vertrauensperson werden, dann geht das Team auch mal den erforderlichen Meter mehr. Ich glaube, von mir sagen zu können, dass mein Team hinter mir steht und mir vertraut. Mit Blick aufs Budget braucht man auch eine große Affinität zu Zahlen. Ferner: Genauigkeit, Pragmatismus, Entscheidungsfreude, Vorstellungskraft in Bezug auf Timelines und Aufgaben, Weitblick, um Abhängigkeiten im Projekt erkennen zu können. Abstraktionsvermögen ist gerade bei agiler Arbeitsweise wichtig. Man muss wissen, wie man ein Projekt anpacken muss, um zügig erste Ergebnisse zu verzeichnen. Mir persönlich hilft auch mein Auge fürs Detail, mein Ordnungssinn und mein Hang zum Perfektionismus. Genau das braucht es für den Job.

Trotzdem gibt es sicher auch einmal Konflikte und Schwierigkeiten. Wie gehst du damit um?

Als Projektmanagerin steht man immer zwischen den Stühlen, agiert mit dem Kunden, dem Team, den Abteilungsleitern. Konflikte im Team haben wir dabei nur selten, weil wir so eingespielt sind und wissen, wie wir ticken. Mit den Abteilungsleitern kann es schon mal kleinere Meinungsverschiedenheiten geben. Da ich das Beste für mein Team erreichen möchte, habe ich gelernt, mich auf diese Konflikte dann auch einzulassen. Dabei gilt es natürlich, sachlich zu bleiben, und darauf zu vertrauen, dass sich Lösungen finden werden. Ich versuche, meine Fehler einzugestehen, kämpfe immer für die Sache und stelle meine Sicht der Dinge dar – gebe meinem Gegenüber aber auch die Chance, alle Argumente vorzutragen. Und dann findet man einen Kompromiss.

Wenn du – schon von deiner Rolle her – im Auge des Sturms stehst: Wie schaffst du es, bei den Anforderungen der verschiedenen Stakeholder das Gleichgewicht im Projekt zu finden und zu wahren?

Indem ich versuche, einen Weg zu finden, der alle Stakeholder berücksichtigt. Vielleicht sind am Ende nicht alle zu hundert Prozent glücklich, meist sind wir aber nahe dran. Auch hier gilt es wieder, den bestmöglichen Kompromiss zu finden.

Was findest du besonders herausfordernd an deinem Job?

Man ist überall beteiligt. Du musst das Team zusammenhalten, die Abteilungsleiter mit ins Boot holen, die Kunden im Blick haben, die Kommunikation in Gang halten – kurzum: alle Stakeholder glücklich machen und noch dazu die Ruhe im Projekt bewahren. Als Projektmanagerin siehst du auch immer die Risiken und Probleme, die teilweise aber nicht aufzulösen sind. Damit muss man lernen, umzugehen und versuchen, alle Belange in Einklang zu bringen, so gut es eben geht.

Ist dir eine besonders schwierige Situation noch im Kopf?

Nach meinem internen Wechsel von Neofonie Mobile zu Neofonie kam ich gleich in ein anspruchsvolles und international aufgestelltes Projekt mit sehr vielen Teilzielen. Es hat etwas gedauert, bis ich erkannt habe, dass die mit jeder Woche steigenden Anforderungen seitens des Kunden zu dem Zeitpunkt eigentlich gar nicht relevant waren, und es einen kurzen Stopp benötigte. Wir mussten zunächst den Kern identifizieren und dem Kunden deutlich machen, was er eigentlich braucht, damit erst einmal die Basisanforderungen erreicht werden konnten. Das musste ich dem Kunden dann auch so kommunizieren.

Was hast du für dich daraus mitgenommen?

Grenzen aufzeigen ist sehr wichtig – gerade, was Ressourcen und Budget angeht. Aus solchen und ähnlichen Situationen habe ich gelernt, wie Projekte zu strukturieren sind, ein Backlog priorisiert wird und wie mit verschiedenen Beteiligten kommuniziert werden kann. Auch, dass die Form der Präsentation eine Rolle spielt – jedes Detail muss stimmen.

In welchen Momenten blühst du so richtig auf in deiner Arbeit als Projektmanagerin?

Wenn ich einen Tick zu viel zu tun habe! Es ist nicht so, dass ich Stress nicht wahrnehme, aber er macht mich auch produktiver. Ist wenig los, langweile ich mich schnell. Zu meinem Job gehört es, mit Problemen und Konflikten umzugehen, und diese zu lösen ist der größte Gewinn für mich. Das ist ein echt schönes Gefühl. Außerdem hatte ich das Glück, in den letzten zwei Jahren eng mit einer Kollegin zusammenarbeiten zu können, sie anlernen zu dürfen. Sofia Lisiza hat sich bei Neofonie als Trainee zur Projektmanagerin weitergebildet, und ich habe sie in die Praxis mitgenommen. Im Zusammenspiel mit ihr habe ich erst gemerkt, wie umfangreich das Praxiswissen eines Projektmanagers eigentlich sein muss. Ihr dieses Wissen vermitteln und die Position mit ihr teilen zu können, war eine tolle Erfahrung.

À propos Praxiswissen: Gerade in der IT-Branche ändern sich die Dinge rasant. Wie bleibst du auf dem neuesten Stand der Technologie?

Ich wachse mit dem Team. Wir haben Experten für das Backend, für Frontend und Design. Über die Jahre bekomme ich da viel an Wissen mit, und dieses neue Wissen nehme ich dann in alle weiteren Projekte mit. Deshalb ist Erfahrung auch so wichtig für Projektmanager. Ich kenne kaum einen anderen Job, bei dem Erfahrung so viel zählt wie in unserem.

Letzte Frage: Was würdest du anderen Frauen raten, die im Bereich IT-Projektmanagement arbeiten möchten?

Bleibt am Ball und euch selbst treu. Stellt euer Licht nicht unter den Scheffel. Steht zu Fehlern, aber setzt euch durch, wenn ihr sicher seid, bei einem Punkt richtig zu liegen. Würdigt es, wenn ihr etwas erreicht habt, und sei es nur vor euch selbst. Steht Konflikte durch und löst sie. Setzt eure sozialen Fähigkeiten besser ein und nutzt sie, auch in Bezug auf die Kommunikation. Unterstützt euch gegenseitig und ergreift Möglichkeiten, wenn sie sich euch bieten. Traut euch was!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Das Interview führte Susen Rumposch.
Veröffentlichung am 05.06.2023

 

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